Es wird über Vieles geredet in unserer unmusischen Zeit. Es wird geredet und geredet. Aber Niemand redet über das Thema Leibspeise. Merkwürdig. Denn beinahe Jeder hat eine Leibspeise. Der eine mag Wiener Schnitzel, der Andere Schinkennudeln und so weiter und so weiter. Ich habe keine Leibspeise. Aber dafür hasse ich Weihnachtsstollen. Und schuld daran sind meine Eltern.
Denn jedes Jahr an Weihnachten kamen irgendwelche Verwandten, die uns besuchten und uns als Dankeschön einen Weihnachtsstollen schenkten. Diese Verwandten sah ich nur an Weihnachten. Ich glaube, die kamen nur zu uns, weil sie wussten, dass sie bei uns ihre alten Weihnachtsstollen los wurden. Auf jeden Fall hatten wir nach diesen Besuchen sechs bis sieben Weihnachtsstollen.
Man hätte diese Weihnachtsstollen wegschmeissen können. man hätte diese Weihnachtsstollen auch weiterverschenken können. Nicht so meine Eltern. Aus reinem verwandtschaftlichen Pflichtgefühl heraus gab es bei uns nach den Weihnachtsfeiertagen tagtäglich zum Frühstück ein Stück Weihnachtsstollen. Und das bis in den April hinein.
Ab Mitte Januar waren die Stollen so trocken wie die Wüste Gobi im Winter. Ich seh mich heute noch auf diesen unzähligen Stücken Weihnachtsstollen herumkauen. Die Rosinen und das Zitronat (Ich hasse Zitronat) waren kleine Kieselsteinchen. Und mein Vater hielt sich ständig in meiner Nähe auf, weil er sicher sein wollte, dass ich mein Stück brav aufass.
Meine ganze Jugend haben sie damit versaut.